Der Schlund der Silja Europa
Die heutige
Fahrt über den Finnischen Meerbusen nach Helsinki verlief zwar absolut
unerotisch, regte jedoch zumindest meine männliche Phantasie insofern an, dass
die Landschaftsbezeichnung eine Assoziation zu primären weiblichen
Geschlechtsorganen verursachte. Jetzt rein optisch und vom Feeling her (Farbe,
Beschaffenheit, Form, Temperatur…) konnte ich keinen Zusammenhang zu
irgendwelchen weiblichen Reizen feststellen. Meine wort-etymologischen
Recherchen haben nun ergeben, dass das Wort Meerbusen einerseits vom
italienischen „golfo“ (Meerestiefe) und vom
altgriechischen „kolpos“ (Wölbung, Vertiefung) abstammt. Wenn ich die
geographischen Gegebenheiten nun der weiblichen Anatomie gegenüberstelle, so würde das bedeuten, dass Estland und Finnland
sozusagen die Brüste wären. Aufgrund des für Radfahrer angenehmen Höhenprofils
kann es sich dann aber lediglich um Körbchengröße A (geringe Höhendifferenz)
handeln.
Mit der Fahrt
über den „Meeresbusen“ lasse ich Polen, Russland und das Baltikum hinter mir, vielleicht
ist das die Zeit, eine erste Zwischenbilanz zu ziehen. Beinahe 1900 Kilometer habe
ich in den Beinen, somit deutlich mehr als die Hälfte bis zum Nordkap. Der Tageskilometerschnitt dürfte eher etwas
höher liegen als bei meiner Istanbulreise. Vom Radfahren her lief alles glatt,
wenn auch die Straßen nicht immer mit dieser Eigenschaft aufwarten konnten.
Polen war
landschaftlich zwar unglaublich schön, auf der anderen Seite aber, aufgrund der
eher dörflichen Struktur und des phasenweise sehr geringen Angebots an
Sehenswertem und insgesamt wegen der schlechten Infrastruktur auch ein bisschen
langweilig. Mit Ausnahme von Marienburg und Frauenburg natürlich. Kaliningrad
war schon rein vom Feeling her ein totales Abenteuer. Man kommt ja nicht alle
Tage mit dem Fahrrad nach Russland. Zwar war die Beschaffung des Visums recht
kostenintensiv (160 €) die Ein- und Ausreise mit dem Fahrrad, in Internetforen
war da ja allerhand zu lesen, dann absolut unkompliziert. Die Kurische Nehrung
war bisher das absolute Highlight. Auch das Baltikum war für mich absolutes
Neuland und rein von der Neugierde her sehr interessant zu bereisen. Die drei
Länder haben ja speziell in den vergangenen 100 Jahren eine unglaublich
schwierige Geschichte hinter sich. (Teil des russischen Reiches, Unabhängigkeit
in der Oktoberrevolution, Genozidpolitik im Nationalsozialismus, Einmarsch der
Roten Armee, Zeit als Sowjetrepublik) Mit der Unabhängigkeit ist auf jeden Fall
ein neues nationales Selbstbewusstsein entstanden. Der Umgang mit der
(verhassten) russischen Minderheit birgt jedoch jede Menge Konfliktpotential.
Wer so wie
ich im “Ballungszentrum Rheintal“ wohnt, einer Region, in der alles
„erschlossen“ ist, staunt über die Weitläufigkeit dieser Gegend. Die Bevölkerungsdichte
ist in allen drei baltischen Ländern sehr gering. (Litauen, Lettland und
Estland zusammen haben weniger Einwohner als Österreich) Man wird fast neidisch,
über welche landschaftlichen Ressourcen, und unberührte Natur diese Länder
verfügen.
Auch wirtschaftlich
tut sich einiges, wobei ein leichtes Nord-Süd Gefälle zu beobachten ist. Was
das Wirtschaftswachstum und die Pro-Kopf-Verschuldung angeht, würden Österreich
und andere europäische Länder gerne mit den Baltischen Staaten tauschen.
Das Wetter,
beim Radfahren ja kein unbedeutender Faktor, hat bisher sehr gut mitgespielt.
Eine kurze Regenfahrt ansonsten immer trockenes , meist sogar sommerlich warmes
Wetter. Das Fahrrad läuft gewohnt souverän und auch der Rest meines Equipments
tut seinen Dienst recht gut. (Auch die Lüftung meines Netbooks rennt wieder)
Mit der
Kommunikation hat es lediglich in Polen und Russland gelegentlich Probleme
gegeben. Im nach Europa orientierten Baltikum hingegen spricht praktisch jeder
Englisch.
Von den
besuchten Städten war Berlin speziell, Kaliningrad etwas anders, Riga schön und
Tallinn unbedingt empfehlenswert.
Und jetzt
freue ich mich auf Skandinavien!
Fotos